Die CDU Engelskirchen hält Festhalten am Millionenprojekt Bücherfabrik für unverantwortlich
Es gibt Gemeinden, die bauen Ärztehäuser. Andere Kommunen schaffen Gewerbeflächen. Wieder andere bauen Veranstaltungshallen; oder Räume für Vereine und Ehrenamtler. In Engelskirchen wurde versucht, ein Projekt auf den Weg zu bringen, das all diese Sachen gleichzeitig schafft. Das ist grundsätzlich eine gute Idee, weil es sich bei jeder einzelnen dieser Aspekte um wichtige und ehrbare Vorhaben handelt. Unter den wirtschaftlich allerbesten Voraussetzungen und mit der allerbesten staatlichen Förderung hätte das vielleicht auch klappen können. Leider ist es anders gekommen. Eine vollständige Förderung für Gesundheits- und Bürgerzentrum in Höhe von 60% seitens der Fördergeber wurde abgelehnt. Aussicht auf weitere Fördermittel gibt es nicht. Hinzu kommen seit 2020 immer stärkere, massive Baukostensteigerungen und eine deutlich schlechtere Zinsentwicklung. Unser Land befindet sich auf dem Weg in eine Rezession, wie sie die allermeisten Menschen noch nicht erlebt haben. Das kann man abtun, wie die SPD als einzige Befürworterin des Projekts in der letzten Ratssitzung, oder man übernimmt Verantwortung für die finanzielle Lage unserer Gemeinde und die steuerliche Belastung dieser und kommender Generationen. Denn eines ist klar: Alle Schulden, die wir als stark verschuldete Gemeinde zusätzlich machen, müssen noch von unseren Kindern und Enkelkindern abbezahlt werden.
Nun aber ein genauerer Blick auf das Projekt Bücherfabrik und seine Zahlen: Im Raum steht der Vorwurf, leichtfertig auf Fördergelder im zweistelligen Millionenbereich verzichtet zu haben. Zur Wahrheit gehört, dass in der vorliegenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zur Sicherstellung der Finanzierung mindestens 24 Millionen Euro über die Gemeinde Engelskirchen selbst hätten finanziert werden müssen. Wie der Kämmerer der Gemeinde bei der Einbringung des Haushalts für 2023 selbst darstellte, hat Engelskirchen in den kommenden Jahren mit explodierenden Energiepreisen, Baukostensteigerungen von bis zu 30% bei laufenden Projekten und steigenden Kosten aufgrund der negativen Zinsentwicklung zu kämpfen (steigende Zinsen machen die Kredite, über die wir unsere Gemeindeschulden finanzieren, immer teurer). Mittelfristig müssen die letzten Rücklagen verwendet werden, um einen ausgeglichenen Haushalt darstellen zu können, dabei sind zukünftige negative Entwicklungen der geopolitischen Lage und auf den Finanzmärkten noch gar nicht vollumfänglich eingerechnet. Wie es nach Aufbrauch der Rücklagen weitergeht, ist nicht vorherzusehen. Ein solches finanzielles Risiko wie bei diesem Projekt einzugehen, auch wenn dem gewichtige Ziele im Bereich der Gemeindeentwicklung und Daseinsvorsorge gegenüberstehen, lehnen wir als CDU-Fraktion ab.
Schon im Juni 2020 kam die Verwaltung selbst zu dem Ergebnis, dass die „Wirtschaftlichkeitsberechnung zeigt, dass eine vollständige Förderung, die nicht nur auf das Bürgerzentrum beschränkt ist, erforderlich ist, um das Projekt zu realisieren.“ Auf unseren Wunsch hin hat der Rat damals beschlossen, deshalb die vollständige Förderung zur Grundbedingung für das Weiterverfolgen des Projekts zu machen. Hintergrund waren Zweifel an der Finanzierbarkeit des Projektes und die zum Teil wenig verlässlichen Zahlen. Im Bericht der Plausibilitätsprüfung im August 2020 wurden zwar auf der einen Seite solide Kostenansätze und Risikozuschläge attestiert, auf der anderen Seite ist aber auch darauf hingewiesen worden, dass eine Überschreitung der geplanten Kosten schnell passieren könnte. Im schlimmsten Fall wurden die Projektkosten auf bis zu 46 Millionen Euro geschätzt.
Die Bewertung innerhalb der CDU-Fraktion fiel schon 2020 sehr durchwachsen aus. Der vorläufigen Weiterverfolgung des Projekts gaben wir damals nur unsere Zustimmung aufgrund der Zusage der Verwaltung, dass im Zusammenhang mit der Bewerbung keine weiteren Kosten verursacht werden und das Projekt beendet wird, wenn keine volle Förderung aller Teile des Projekts möglich sind – was nun der Fall ist. Dass die Verwaltung über die letzten Monate versucht hat, die Pläne doch noch so zu überarbeiten, dass die Zahlen auch mit weniger Förderung noch passen, mag ein ehrbarer Versuch sein, das Projekt doch noch zu retten. Unsere Zustimmung hatten jedoch auch schon diese Umplanungen nicht mehr, weil die Förderung fehlt. In dieser Überarbeitung hat man nun, kurz gesagt, durch eine Erhöhung der vermietbaren Flächen und baulichen Anpassungen (weniger Sanierung im Bestand, mehr Abriss und Neubau) die explodierenden Baukosten und die Zinsentwicklung aufzufangen versucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass durch das Projekt der Gemeindehaushalt voraussichtlich, grob geschätzt, mit jährlich über 280.000 Euro belastet werden würde. Für sich genommen sind die Ideen zu würdigen. Wenn man allerdings berücksichtigt, dass diverse Baukosten bisher nur als Schätzungen vorliegen, notwendige Untersuchungen zur Schadstoffbelastung von Boden und Gebäudesubstanz samt anfallenden Entsorgungskosten nicht vorliegen und die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung unter dem Vorbehalt einer erfolgreichen KfW-Förderung (3,2 Millionen Euro) und dem Erhalt weiterer Fördermittel der Robert-Bosch-Stiftung (1 Millionen Euro) steht, dann ist auch für den Laien erkennbar, dass die Finanzarchitektur dieses Projektes höchst unsicher ist. Erschwerend hinzu kommt, dass Kosten, die 2020 noch den Investitionskosten zugerechnet worden sind, nun aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden und das jährlich anfallende Kosten für das Management des Gesundheitszentrums nun über die Gemeinde abgewickelt werden sollen und damit aus der Kalkulation herausfallen. Beides wirkt sich direkt auf die Höhe der Investitionskosten aus und würde das Projekt in der realen Betrachtung weiter verteuern.
Bürgermeister Dr. Karthaus kannte die Chancen und Risiken zu jeder Zeit. Dass er nun in seiner Stellungnahme einzig auf die verlorenen Fördermittel blickt und in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, alles sei solide geplant und durchgerechnet gewesen, ist nicht aufrichtig. Als CDU-Fraktion haben wir der Verwaltung in den vergangenen Jahren in vielen Sitzungen den Spielraum und die Chancen dafür geben, dass hier ein gutes und funktionierendes Projekt vorangebracht werden könnte. Dass das nun nicht funktioniert, liegt auch nicht an der guten und fleißigen Arbeit der Verwaltung, sondern an den Gesamtumständen. Vor dem Hintergrund der finanziellen Lage der Gemeinde, der fehlenden staatlichen Förderung und den gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen vor denen wir im ganzen Land stehen, ist klar, dass es nun politische Verantwortung für ein Ende dieses Projektes braucht. Die SPD-Fraktion ist die einzige im Gemeinderat, die das anders sieht. Die nun auch im Nachgang der Ratsentscheidung vorgenommene, einseitige Darstellung der Chancen für Engelskirchen durch Bürgermeister und SPD-Fraktion, ohne die Probleme und Risiken in der Finanzarchitektur und Planung klar zu benennen, ist fahrlässig und bestärkt uns darin, richtig und verantwortungsvoll für die Zukunft der Gemeinde Engelskirchen gehandelt zu haben.